Posts tagged ‘Eutyphron’

7. Juni 2013

Eutyphro revisited

Mir ist klar, dass nicht alle immer nachvollziehen können, wie mich manche Alltagserlebnisse an gewisse Probleme erinnern und ich habe mich ja schon ausgiebig dafür entschuldigt, dass ich mich in letzter Zeit erstaunlich oft an Probleme mit Religionsbezug erinnert fühlte, zum Beispiel hier.  Obwohl ich dafür ja eigentlich nichts kann. Trotzdem habe ich mich heute sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass Ronald de Sousa 2001 in seinem Aufsatz „Moral Emotions“  eine gottfreie Variante des Eutyphro-Dilemmas behandelt.

Er steigt mit einer kleinen Zusammenfassung von Jean Itards „wild child experiment“, bei dem es darum ging, ein Findelkind, das über keinerlei Sprache oder gesellschaftlich antrainierte moralische Standards  verfügte, absichtlich für richtiges Verhalten zu bestrafen, um herauszufinden, ob sich an den Reaktionen ein angeborener Sinn für Gerechtigkeit zeigt.

Nun muss man diese Geschichte weder moralisch noch methodisch gutheißen – trotzdem ist es recht interessant, wie De Sousa sie nutzt, um Platos Eutyphro-Dilemma neu zu formulieren. Er fragt nämlich nun, ob man die unzufriedenen Reaktionen des Kindes so verstehen darf, dass sie aus einem angeborenen Sinn für Ungerechtigkeit resultieren, oder ob wir ein solches Experiment (das Bestrafen für ‚richtige‘ Handlungen – nicht das gesamte, ohnehin fragwürdige Experiment) nicht gerade deshalb als ungerecht bezeichnen, weil es diese Art Reaktion hervorruft. Etwas sauberer und auf Englisch heißt das dann bei ihm (auf Seite 111, wen’s interessiert):

granting that Itard did succeed in identifying the emotion in question, must we take it that the emotion was a response to some objective feature of the situation that they elicited it – its injustice – or should we rather say that such situations are to be assessed as unjust precisely because of the kind of emotion that they elicit? 

2. April 2013

Was in Talkshows mal gesagt werden sollte

Ihr müsst mir glauben, ich versuche wirklich, das Thema Religion zur Zeit zu umgehen, besonders auch weil gerade Ostern war. Erstens hat für viele Menschen gerade ein wichtiges Fest stattgefunden und das möchte ich respektieren – auch, indem ich auf Nörgeleien verzichte. Zweitens hat für viele andere Menschen gerade kein wichtiges Fest stattgefunden -Ostern war aber trotzdem allgegenwärtig. Deshalb hatte ich mir eigentlich vorgenommen, jetzt mal ein paar Geschichten aus dem Alltag aufzugreifen, die keinen Religionsbezug aufweisen. Das  ist aber gar nicht so leicht.

Ihr wisst ja, dass ich im Moment für das Thema Sexismus ohnehin schon sensibilisiert bin. Da muss man dann nur noch über einen Erfahrungsbericht zum Thema Homosexualität stolpern, und schon ist man eben doch wieder ganz nah dran am Thema Religion. Aber ich möchte hier gar nicht mehr konkreter werden – wir wissen alle, dass es in jeder Religionsgemeinschaft sowohl fundamentalistische (und damit meistens sexistische und homophobe), wie auch tolerante Strömungen gibt. Statt nun wertvolle Energie damit zu verschwenden, mich über die erste Sorte aufzuregen, möchte ich darauf hinweisen, dass gerade sehr konservative religiöse Strömungen uns auf ein sehr interessantes philosophisches Problem stoßen.

Nehmen wir einfach mal an, wir würden einer solchen sehr konservativen religiösen Strömung irgendeiner Richtung glauben schenken. Stellen wir uns vor, wir glaubten daran, dass Gott bestimmte Posten für Männer reserviert hat oder dass Gott es als Beleidigung empfindet, wenn wir mit den „falschen“ Menschen ins Bett gehen. Ich kann mir problemlos einen alten Mann mit Rauschebart vorstellen, der solche Regeln aufstellt. Eines kann ich aber nicht: das Gefühl loswerden, dass diese Regeln ungerecht sind. Und damit sind wir doch schon bei einer spannenden Frage: Kann es einen ungerechten Gott geben?

Natürlich hat diese Frage in der Geschichte der Philosophie einen ebenso langen Bart wie der klischeehafte Gott, den ich mir oben vorgestellt habe. Man findet diese oder ähnliche Fragen (oft mit der Bezeichnung Eutyphron-Dilemma(ta)) von Plato über das Mittelalter bis zum heutigen Tag. Die Grundidee ist, dass wir zwei Argumentationsmuster gegenüberstellen können. Entweder das Gute/Gerechte/was auch immer ist nur deshalb gut/gerecht/was auch immer, weil es Gottes Wille entspricht. Dann ist es aber kein Wert an sich. Oder das Gute/Gerechte/Was auch immer ist von selbst gut und gerecht und Gott hat bestenfalls die Weisheit, es als solches zu erkennen.

Die letzte Argumentationsrichtung ist meiner Meinung nach das, was diese Frage besonders heute und nicht nur für religiöse Menschen so interessant macht. Religiösem Fundamentalismus wird nämlich sehr oft auf Augenhöhe begegnet, indem man sich auf die „Gott hat gesagt“-Argumentationsweise einlässt und nur zu zeigen versucht, wie Gott etwas gemeint haben könnte (meistens anders…). Viel Spannender wäre es aber doch, wenn man sagen könnte: „Na und? Wenn er das wirklich gesagt hat, ist er halt unmoralisch und auf so jemanden höre ich nicht“. Das wäre doch mal eine Gesprächsdimension, die die immer gleiche Jauch-Kirchen-Debatte am Sonntagabend etwas aufmischen würde.

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