Posts tagged ‘Wahrheit’

11. April 2015

Über den Nutzen der Philosophie

Ich bin eigentlich der festen Überzeugung, dass mit der Frage nach dem Nutzen der Wissenschaft nichts zu gewinnen ist. Ob, wann und inwieweit eine Wissenschaft ein „nützliches“ Resultat hervorbringt, scheint mir kaum objektiven Kriterien zu unterliegen. Und, was noch viel schlimmer ist: Ich halte die Tatsache, dass Menschen Wissenschaft betreiben, um sich und die Welt zu verstehen, für eines der wenigen Dinge, mit denen sich der Mensch tatsächlich legitimerweise von „den Tieren“ abgrenzen lässt.

Ich werde jetzt aber trotzdem meinen Stolz runterschlucken und auf einen der zahlreichen Momente hinweisen, in denen ich denke: „Ein bisschen philosophische Bildung würde helfen!“

Zuletzt hatte ich diesen Gedanken bei der folgenden Schlagzeile auf ZEIT online:

(fairerweise möchte ich darauf hinweisen, dass hier ein Satz zitiert wird.)

(fairerweise möchte ich darauf hinweisen, dass hier ein Satz zitiert wird.)

Es gibt wahrscheinlich ungefähr so viele Positionen zur Wahrheit, wie es Philosophen gibt, also warum bin ich so schockiert davon, dass die ZEIT (oder vielleicht eher: Jemand, der von der ZEIT zitiert wird) verschiedene nebeneinander existierende Wahrheiten annimmt?

Ich bin so schockiert, weil ein wirklicher Wahrheitsrelativismus weitreichende Folgen hat. Würden alle Menschen, die im Alltag ernsthaft (!) die These „Es hat halt jeder seine eigene Wahrheit“ vertreten, wirklich verstehen, was aus dieser alles folgt, dann würden sie sich vielleicht überlegen, ob sie sich wirklich darauf verpflichten wollen.

Warum ist mir das so wichtig? Ich weiß ja schließlich, dass die meisten Menschen mit diesem Satz in etwa sowas meinen wie „Ich bleibe bei meiner Meinung, egal was du sagst.“. Warum bestehe ich also darauf, dass diese Leute dann auch den Begriff der Wahrheit in Ruhe lassen und das sagen, was sie wahrscheinlich meinen? Weil ich ein versnobter Philosoph bin?

Nein, mir ist das so wichtig, weil der Satz „Ich bleibe bei meiner Meinung, egal welche Argumente du mir präsentierst, die mich eigentlich von meiner Meinung abbringen müssten“ solche Gesprächspartner als das enttarnt, was sie in diesem Moment sind – nämlich stur und beratungsresistent. Der Satz „Jeder hat seine eigene Wahrheit“ hingegen wertet im schlimmsten Fall die Sturheit eines Gesprächspartners auf und lässt sie als eine tiefgründige Erkenntnis über das Verhältnis des Menschen zur Welt erscheinen. Und ich habe das starke Bedürfnis, diese Aufwertung aus der Alltagssprache zu tilgen. Hier kommt jetzt der Nutzen der Philosophie ins Spiel: Ich glaube auch, dass es der zwischenmenschlichen Kommunikation gut tun würde, wenn mehr Menschen diesen rhetorischen Trick erkennen würden, weil ihnen philosophische Bildung ermöglicht, dummes Geschwätz von einer echten Position über Wahrheit zu unterscheiden. Und vielleicht würde sich dann in einer Diskussion gelegentlich auch mal derjenige durchsetzen, der die besseren Argumente hat.

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23. Dezember 2012

Weihnachtliche Gedanken zum religiösen Pluralismus

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Heute, am 4. Advent, scheint es unvermeidbar zu sein, einmal über das Thema Religion nachzudenken. Während Religion in Deutschland für einen Großteil des Jahres Privatsache ist (wenn nicht gerade wieder eine öffentlicher Streit über das grundsätzliche Für und Wider von Religion ausbricht), über die man meistens nicht spricht, kommt man zur Weihnachtszeit oft nicht drum herum, sich irgendwie in irgendeiner Form im religiösen Spektrum zu positionieren. Auf die Frage „Feierst du Weihnachten?“ kann man auf viele Arten antworten – aber man antwortet. Und die Antworten, die man nun zu hören bekommt, verraten oft mehr über die religiöse Einstellung, als alles, was wir sonst das ganze restliche Jahr über von unseren Bekannten und deren tiefsten inneren Überzeugungen erfahren.

„Ja, ich bin gläubiger Katholik/Protestant.“

„Ich glaub‘ da zwar nicht dran, aber ich will mir die Tradition bewahren.“

„Nein, ich bin Atheist und will damit nichts zu tun haben.“

„Ich bin zwar kein Christ, aber ich feiere Weihnachten weil ich an den Geist dieses Feiertags glaube.“

Und egal wer in diesem Gespräch auf wen trifft und welche Glaubensüberzeugungen hier aufeinandertreffen, meist endet das Gespräch damit, dass man sich gegenseitig versichert, den Glauben (oder Zweifel) des Gegenübers zu akzeptieren, respektieren, tolerieren… Man will sich auf keinen Fall einmischen oder irgendwen von irgendwas überzeugen, denn die jeweilige Überzeugung ist schließlich Privatsache und über so etwas diskutiert man – schon allein aus Anstand- niemals.

Ich bin ein großer Anhänger dieser Praxis und teile die Intuition, dass Glaubensüberzeugungen (und hier tue ich, was ich normalerweise nie tue: Atheismus und Agnostiz“ismus“ zu den Glaubensüberzeugungen zählen) Privatsache sind. Gleichzeitig werde ich aber den Gedanken nicht los, dass das nur funktioniert, weil wir uns stillschweigend darauf geeinigt haben, den Begriff glauben nicht mehr zu untersuchen oder zu hinterfragen. An diesen Begriff schließen sich nämlich jede Menge spannende Fragen an:

Ich glaube, dass die Erde rund ist. Damit setze ich normalerweise ein paar Dinge voraus: dass es zur Frage der Gestalt der Erde eine objektive Wahrheit gibt und dass ich in ihrem Besitz bin. Gleichzeitig liegen dann alle falsch, die etwas anderes behaupten. Nach meinem alltäglichen Verständnis von solchen Dingen würde ich mich bei Leuten, die mir etwas bedeuten, und die sich in dem Irrtum befinden, die Erde sei flach, verpflichtet fühlen, sie auf ihren Irrtum hinzuweisen. Gerade das entspricht nämlich meinem Verständnis von es gut mit jemandem meinen. Warum gilt dieser Grundsatz dann nicht mehr für Religionen? Wie begründen wir, dass wir es gerade als Tugend empfinden, anders Glaubende in ihrem Glauben zu lassen?

Gibt es vielleicht einen Unterschied in der Bedeutung von glauben in „Ich glaube, dass die Erde rund ist“ und „Ich glaube an Gott“? Gibt es einen religiösen Glauben ohne Wahrheitsanspruch? Müssten wir vielleicht zwischen mehreren Varianten des Wortes glauben unterscheiden? Oder müssen wir die Verknüpfung von Glaube und Wahrheitsanspruch akzeptieren und uns streng genommen verletzt und vernachlässigt fühlen, wenn jeder all unsere Überzeugungen zum Thema Religion akzeptiert, ohne uns bekehren zu wollen?

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